Zwangsarbeit in einem Kieswerk 1939 – 1945
(am Beispiel der Baufirma Habermann & Guckes)
7. Das Ende der Zwangsarbeit in Deutschland (3)
Es gab vier Polen, die im März und April 1944 gänzlich aus Wattenbek abgezogen und beim U-Boot-Bunkerbau auf dem Gelände der Deutschen Werke Werft in Kiel eingesetzt wurden. Sie erhielten Schlafplätze in Wohnbaracken der DWK innerhalb Kiels. Es handelte sich außer Ryszard Samulczyk noch um Hermann Matuszewski (Łódź), Stanislaw Piasecki (Poznań) und Tadeusz Aleksanderek (Łódź). Von Aleksanderek ist bekannt, dass er im DWK-Lager in Kiel-Katzheide untergebracht war. Von Piasecki haben wir bereits weiter oben berichtet, dass er am Ende des Krieges ernsthaft erkrankt war. Er durchlief im Mai und Juni 1945 in Kiel mehrere polnische DP-Lager und wurde im Juli 1945 von einer Familie in Schweden aufgenommen und gepflegt.
Ryszard Samulczyk war derjenige, der am längsten in Deutschland geblieben ist. Er schrieb im Januar 1995: „Beim Baubeginn einer Schutzeinrichtung für U-Boote im Kriegshafen in Kiel wurde ich samt der Lok an diesen Arbeitsplatz verlegt. Zuerst kam ich per Bahn aus Bordesholm dahin, später wurde ich in Kieler Baracken einquartiert. Dies war der Wohnort vieler Nationalitäten: Polen, Tschechen, Ukrainer und anderer Nationalitäten. Zusammen mit mir wohnten Stanislaw Piasecki, Hermann Matuszewski und einige andere, deren Namen ich nicht mehr kenne. Es war eine Zeit schwerer Erlebnisse. Ständige Bombenangriffe, am Tag und in der Nacht. Während eines solchen Angriffs kam ein Schmied aus Łeczyca ums Leben, als im Bunker ein Deckenteil einbrach. Sein Helfer starb ebenfalls. Er wurde im Arbeitslager in der Nähe von Kiel ermordet.“[7-11]
Hafenbecken DWK mit Bunker Konrad und Admiral Scheer (zur detaillierteren Darstellung: auf das Bild klicken) |
Bunker Konrad, rechts offene Docks mit zerstörten Schiffen (zur detaillierteren Darstellung: auf das Bild klicken) |
Fotoquelle: Stadtarchiv Kiel
Samulczyk erinnerte sich auch daran, „dass nach einem Angriff ein Panzerschiff ‚Admiral Scheer‘ [am 9. April 1945] gesunken ist, das deutsche Flüchtlinge aus dem Osten transportierte und kurz nach seiner Ankunft bombardiert wurde.[7-12] Kurz danach gab die Provinz Schleswig-Holstein Anfang Mai 1945 ihre Kapitulation bekannt. Danach wurden wir mit Autos von britischen Truppen nach Wattenbek gebracht und wurden dort im ehemaligen französischen Lager einquartiert.[7-13] Dort verbrachten wir nur ein paar Tage. Eines Tages kam ein Offizier, ein Pole in Diensten der Briten, mit einigen Wagen zu uns mit dem Ziel, die Polen nach Kiel zu bringen, was auch gemacht wurde. Dort wurden wir in ehemaligen Kasernen deutscher Truppen einquartiert. In diesem Lager blieb ich bis zum Ende meines Aufenthaltes in Deutschland. [...]
Alle Lagerbewohner haben jeden Monat ein Paket bekommen. Außer den Paketen verteilte ich noch Schuhe und Kleidung für die, die es am nötigsten hatten. Außerdem hatte ich die Befugnis, die Erlaubnis für Ausreisen in westliche Länder und in die Tschechoslowakei zu erteilen. Ich erteilte über 550 Ausreisegenehmigungen. Am häufigsten fuhren die Leute in die Tschechoslowakei, von wo die Polen in ihr Heimatland zurückkehrten. [...] Meine Amtszeit dauerte solange, bis die Vorbereitungen für die Rückkehr nach Polen über den Seeweg anfingen. Mein Chef, Hauptmann Dziurzynski, versuchte mich zu überzeugen, mit ihm in ein anderes Lager zu gehen. Aber die Sehnsucht nach der Familie und nach dem Heimatland siegte, und ich entschied mich, zusammen mit den anderen auf dem Seeweg zurück nach Polen zu fahren. Ende November 1945 wurden wir in Militärfahrzeugen nach Lübeck gefahren und nach ein paar Tagen auf ein Schiff gebracht. [...]
Nach der Ankunft [in Westerplatte] kümmerte sich eine Kommission um uns, stattete uns mit Papieren[7-14] aus und gab uns 100 Złoty für den Heimweg. Auf dem Danziger Bahnhof wartete jeder von uns auf den Zug, der ihn in seinen Heimatort bringen sollte. Ich kehrte nach Łódź-Kaliska zurück und von da aus ging es zu mir nach Hause. Bei meiner Familie kam ich am 6. Dezember 1945 an. Das ist das Ende meines Aufenthaltes und meiner Erlebnisse im Arbeitslager.“[7-15] (hier: der vollständige Brief Samulczyks vom 05.01.1995)
Gegenüber den Kieler Nachrichten äußerte Samulczyk im April 1995: „Negative Gefühle für Deutschland habe ich nicht – nur für die Nazi-Partei, weil diese Organisation ganz und gar rücksichtslos war.“[7-16] Entsprechend dieser Einstellung wurde der Verfasser bereits bei seinem ersten Besuch nicht nur von Ryszard Samulczyk (gest. 10. März 1999), sondern auch von Janusz Smoczynski (gest. 21. Juli 2000) und Stanislaw Jesionek aufgeschlossen und äußerst herzlich empfangen. Er wird alle drei in sehr guter Erinnerung behalten.[7-17]
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[7-11] Gemeint ist offensichtlich das Arbeitserziehungslager Kiel-Russee, dessen Geschichte umfassend aufgearbeitet worden ist (Detlef Korte, „Erziehung“ ins Massengrab. „Die Geschichte des Arbeitserziehungslagers Nordmark“ Kiel-Russee 1944 - 1945. Kiel 1991).
[7-12] Siehe dazu die entsprechende Luftbildaufnahme in: Kriegsschauplatz Kiel. Luftbilder der Stadtzerstörung 1944/45, hrsg. von Jürgen Jensen. Neumünster 1989. S. 86.
[7-13] Gemeint ist das Zwangsarbeiterlager der DWK in Wattenbek (siehe dazu Anm. 7-9).
[7-14] Diese Papiere, sofern sie noch vorhanden sind, dienen heutzutage ehemaligen Zwangsarbeitern dazu, ihren Aufenthalt in Deutschland zu dokumentieren und dann auf eine kärgliche finanzielle Entschädigung zu hoffen.
[7-15] Brief vom 5.1.1995.
[7-16] KN vom 28.4.1995.
[7-17] Die obigen Ausführungen beinhalten noch nicht die Themenbereiche Freizeit und Urlaub, den Kontakt zu den Deutschen, die Schwierigkeiten mit der Gestapo und das Bemühen um Aussöhnung nach 50 Jahren. Diese sollen in einer kommenden Ausgabe der ISHZ abgehandelt werden.