Zwangsarbeit in einem Kieswerk 1939 – 1945
(am Beispiel der Baufirma Habermann & Guckes)
7. Das Ende der Zwangsarbeit in Deutschland (2)
Abends kehrten die „Wattenbeker“ mit dem Zug nach Bordesholm zurück und übernachteten wie gewohnt auf dem Gelände von Habermann & Guckes an der Verladestation. Dieser Tagesablauf wurde (nach der Erinnerung von Jesionek) im Sommer 1944 abrupt unterbrochen und änderte sich einschneidend: Die nach Kiel fahrenden Polen durften nicht mehr in „ihrer“ Wohnbaracke übernachten. Sie wurden (ohne einen für sie ersichtlichen Grund) unter scharfe Bewachung gestellt und mussten die nächsten Monate im Zwangsarbeiterlager der DWK in Wattenbek verbringen. Das seit 1941 bestehende Lager befand sich – von der Verladestation aus gesehen – in südöstlicher Richtung in einer Entfernung von einem Kilometer Luftlinie. Es umfasste elf Wohnbaracken und hatte eine Belegungskapazität von ungefähr 550 Personen.[7-9] Von Jesionek gibt es zwei Fotos, die beweisen, dass er tatsächlich auch noch das Lager der DWK in Wattenbek kennen lernen musste. Er konnte sich auch daran erinnern, dass hier zeitgleich mehr als 100 Franzosen untergebracht waren. Auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen in Kiel wurden die Polen jetzt von Wachmännern begleitet. Es ist offensichtlich, dass diese einschneidenden Veränderungen im Umgang mit den Zwangsarbeitern aus Polen auf das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 zurückzuführen sind.
Jesionek mit Kollegen hinter Stacheldraht |
Im Hintergrund Häuser an der Brügger Chaussee Nr.35 (vorne), Nr.30 (links) und Nr.34 (rechts) |
Für Stanislaw Jesionek bot sich im Dezember 1944 eine günstige Gelegenheit, um an den vorzeitigen Abschied aus Schleswig-Holstein zu denken. Sein Vater war schwer erkrankt, und er hatte sich mehrmals vergeblich um eine Urlaubsgenehmigung bemüht: „Ich habe dann einen Brief aus Polen bekommen – von zu Hause – auf Deutsch – mit einem Attest, dass mein Vater sehr krank sei.“ Mit diesem Dokument ist Jesionek wiederum zum Amtsvorsteher nach Bordesholm gegangen und konnte ihn diesmal dazu bewegen, den gewünschten Urlaub zu genehmigen. Ingenieur Grimm war damit als Betriebsleiter gar nicht einverstanden, er musste die Entscheidung des Amtsvorstehers aber akzeptieren. Von Grimm wurde Jesionek streng ermahnt: „Du kriegst Urlaub bis zum 2. Januar 1945. Wenn du bis zum 3. Januar nicht wieder hier bist, wirst du [an die] Gestapo überführt.“ Diese Drohung hatte für Jesionek keine große Bedeutung mehr: „Aus dem Urlaub bin ich nicht mehr zurückgekommen, denn die russische Armee kam und ich bin in der 1. polnischen Armee gelandet.“[7-10]
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[7-9] Über das DWK-Lager in Wattenbek gibt es vom Verfasser zwei Veröffentlichungen: „Schankkonzessionen“ als besondere Quellengruppe zur Erforschung der Zwangsarbeit (1939–1945), in: ISHZ 37 (2000), S. 100ff., und „HDW hat doch gar keine Zwangsarbeiter gehabt“. Hinweise auf Zwangsarbeiterlager der Deutschen Werke Werft – außerhalb Kiels, in: ISHZ 40 (2002), S. 42ff.
[7-10] Alle Zitate aus dem Brief vom 13.6.1994.