Zwangsarbeit in einem Kieswerk 1939 – 1945

(am Beispiel der Baufirma Habermann & Guckes)

3. Die Erfassung der eintreffenden Zwangsarbeiter (1)

Bei dem Bürgermeister von Wattenbek, Wilhelm Stabe, mussten sich u.a. alle „Gefolgschaftsmitglieder“ der Firma Habermann & Guckes melden, die für einen längeren Zeitraum auf dem Gelände der Verladestation in behelfsmäßigen Unterkünften wohnen wollten oder sollten. Er führte das Einwohnermelderegister der Gemeinde und notierte für jeden neuen Arbeitnehmer außer dem Namen und dem Tag der Ankunft bzw. Anmeldung in der Regel auch den Geburtsort, das Geburtsdatum, den Ort des letzten Aufenthalts, die Staatsangehörigkeit und die Religionszugehörigkeit. Außerdem gab es noch eine Spalte mit „Bemerkungen“, in der gegebenenfalls der Wegzug des Gemeldeten vermerkt wurde.

Die oben erwähnten Tschechen sind nicht alle im Einwohnermelderegister von Wattenbek verzeichnet, da für sie im Mai und Juni 1939 auf dem Gelände der Verladestation[1] noch nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden waren. Sie haben zum größten Teil in Reesdorf, in Brügge oder direkt auf dem Kieswerksgelände[2] in Brüggerholz gewohnt. Der Bürgermeister von Wattenbek verzeichnete am 12. und 16. Mai sowie am 1. Juni die Ankunft von insgesamt acht Tschechen. Es handelte sich um

·          den 17-jährigen Schlosser Baduch Smejkal aus Niesle,

·          den 17-jährigen Schlosser Josef Kubec aus Štramberk (30 km südlich von Ostrava in Mähren). Er ist im Mai 1940 in die Heimat gefahren - ob dauerhaft oder nur auf Urlaub, ist nicht bekannt.

·          den 18-jährigen Schlosser Josef Sykow aus Prag,

·          den 18-jährigen Schlosser Taulen Borowicka aus Michlen (Stadtteil von Prag),

·          den 26-jährigen Arbeiter Milan Elischa aus Plzeň (Pilsen),

·          den 27-jährigen Schlosser Karel Naus aus Kolinec (50 km südlich von Plzeň, in Böhmen),

·          den 27-jährigen Tischler Ladeslaw Matousek aus Plzeň und

·          den 32-jährigen Arbeiter Stanislav Viet aus Plzeň.

Die häufige Berufsbezeichnung Schlosser lässt erahnen, wie groß der Bedarf an Handwerkern mit technischen Kenntnissen und Fähigkeiten war. Es galt schließlich das ausgedehnte Schienennetz der Schmalspurbahn, die Dampfbagger, die umfangreichen Kiesverarbeitungsanlagen, die zahlreichen Loren und die Lokomotiven zu warten und gegebenenfalls zu reparieren. Die oben genannten Borowicka und Naus sind im September 1939 nach Brügge verzogen. Sie haben offensichtlich bei dem dortigen Kaufmann Max Reese eine private Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Grundsätzlich bleibt anzumerken, dass die Tschechen aus dem „Protektorat Böhmen und Mähren“ zu einem Zeitpunkt ins Deutsche Reich kamen, da die Behörden an einem Erlass arbeiteten, der ihre Rechtsstellung als Ausländer einschränkte. Mit dem Erlass vom 26. Juni 1939 wurde ein Sonderrecht geschaffen, das „die Tschechen tendenziell außerhalb der deutschen Rechtsordnung stellte“.[3-1]

Für die aus Polen eintreffenden (zivilen) Zwangsarbeiter war am 8. März 1940 ein umfangreiches Erlasspaket herausgekommen, dass die Rechtsstellung dieser Personen noch drastischer einschränkte, als es bei den Tschechen der Fall war.[3-2] Die „Erfassung“ der eintreffenden Polen war den Behörden sehr wichtig: „Es ist sicherzustellen, dass die Arbeitskräfte polnischen Volkstums fotografiert werden. Es sind 3 Lichtbilder zu fertigen. 2 Lichtbilder sind für die Karteikarten, das 3. Lichtbild [...] für die Arbeitskarte zu verwenden.“[3-3] Die Arbeitskarte wurde auch als Arbeitserlaubniskarte bezeichnet und sollte den Eintreffenden eigentlich „sofort nach dem Verlassen der Transportzüge“ durch das zuständige Arbeitsamt ausgehändigt werden. Sie war ja aber noch nicht mit dem zugehörigen Passfoto versehen, und deshalb war es verboten, sie in diesem Zustand an die Arbeitskraft zu übergeben.[3-4] So ganz durchdacht war das Verfahren offensichtlich noch nicht. Auf jeden Fall sollte das Fotografieren „umgehend“ durch die Kreispolizeibehörde oder – wenn nicht anders möglich – durch einen ortsansässigen Fotografen am Einsatzort der neuen Arbeitskräfte erfolgen.

 

Arbeitskarte von Janusz Smoczynski (zur detaillierteren Darstellung: auf das Bild klicken)

Das Arbeitsamt in Neumünster und die Ortspolizeibehörde hatten Folgendes zu beachten: „Auf der ersten Seite der Arbeitskarte [...] ist ein Fingerabdruck (beide Zeigefinger) zu fertigen, das Lichtbild durch Ösen zu befestigen und die persönliche Unterschrift durch den Inhaber zu vollziehen.“ Die Kosten für dieses aufwändige Verfahren wurden weitergegeben und konnten „von den Arbeitskräften eingezogen werden“.[3-5]

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[3-1] Ulrich Herbert: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländereinsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches. Berlin/Bonn, 2. Auflage 1986. S. 63.

[3-2] Die von Göring und Himmler mit Datum vom 8.3.1940 herausgegebenen Erlasse und die dazugehörigen Erläuterungen sind in umfassender Weise dokumentiert in: Documenta Occupationis X, hrsg. von Alfred Konieczny und Herbert Szurgacz. Poznań 1976. S. 7-26.

[3-3] Ebd., S. 13.

[3-4] Ebd., S. 14.

[3-5] Ebd., S. 13f.