Kieler Nachrichten 17.01.06
Kita kostenlos? „Wunschdenken“ Bundesregierungs-Vorstoß kommt in Holstein gar nicht gut an – Kommunen: „Nicht finanzierbar“ Bordesholm/Kronshagen/ Nortorf – Mit ihrem Vorstoß, dass der Besuch der Kindertagesstätten künftig kostenlos oder deutlich günstiger sein sollte, ist Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf massive Kritik der Kommunen gestoßen. Unter dem Aspekt der Familienfreundlichkeit dürfte der Vorschlag sicherlich positiv zu bewerten sein. Finanziell würde er die Kommunen teuer zu stehen kommen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine „kostenlose Kita“ nicht zu bezahlen, wie eine Umfrage unter Trägern ergab. Der Zentralort Bordesholm lässt sich die Betreuung in den Kindergärten pro Jahr rund 1,25 Millionen Euro kosten. Das sind etwa 16 Prozent des gesamten Etats. Etwa 375 000 Euro an Elterngebühren nimmt die Kommune wieder ein – und nach dem Willen von der Leyens würden die dann wegfallen. „Woher sollen wir das Geld nehmen? Das ist jetzt nicht machbar, und es ist schwer vorstellbar, dass das irgendwann so ist“, sagte Bordesholms Verwaltungschef Norbert Baschke (parteilos. Die geforderte Familienfreundlichkeit sei schön und gut. „Aber kein Kind muss in der Region Bordesholm zu Hause bleiben, nur weil das Geld fehlt. Die Sozialstaffel ermöglicht das“, so Baschke. Seine Bewertung: Es sei einfach, als nicht zahlende Familienministerin solche Vorstöße zu wagen. „Aber vielleicht sollen die Kommunen ja für den Ausfall einen Teil aus der erhöhten Mehrwertsteuer ab 2007 erhalten.“ Bürgermeister Uwe Meister (parteilos) in Kronshagen stuft den Vorstoß von der Leyens als „Wunschdenken der Bundespolitiker“ ein. Auf Kindergartenbeiträge könne ohne Ausgleich nicht verzichtet werden. Selbst eine Absenkung der Beiträge sei nur finanzierbar, wenn die Kommunalpolitik dafür Einschnitte in anderen Bereichen beschließen würde. Nach Angaben des Bürgermeisters müsste Kronshagen bei einem Wegfall der Kita-Gebühren jährlich 625000 Euro zusätzlich finanzieren. „Wie soll das gehen?“, fragt Meister. Trotz seiner Kritik hält er Investitionen in die Zukunft von Kindern und Jugendlichen unbedingt für geboten: „Jedes Kind, das auf der Strecke bleibt, belastet uns später.“ Der Verwaltungschef betont, dass die Gemeinde diese Zusammenhänge bereits erkannt habe und vielfältig versuche, die Ausgangslage von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Im Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde Nortorf werden zurzeit in drei Vormittags- und einer Nachmittagsgruppe 80 Kinder betreut. Die Elternbeiträge beliefen sich nach Auskunft der stellvertretenden Kirchenvorstandsvorsitzenden Antje Lembrecht im vergangenen Jahr auf 65 800 Euro. Damit blieb man allerdings noch einige Prozentpunkte unter den vom Land als Richtwert vorgeschlagenen 30 Prozent, die die Eltern an den Gesamtkosten des Kindergartenbetriebes tragen sollten. Die Stadt könnte die Summe, die sich bei einem eventuellen Wegfall der Elternbeiträge bei allen drei Nortorfer Kindergärten ergäbe, nicht übernehmen, meint Bürgermeister Hans-Helmut Köppe. Schon jetzt werden nach Worten von Stadtkämmerer Jörn Wittmaack der evangelische Kindergarten, der DRK-Kindergarten sowie die integrative Kindertagesstätte pro Jahr mit rund 300 000 Euro aus der Stadtkasse unterstützt. Rainer Brügmann (CDU), stellvertretender Bürgermeister von Bredenbek, ist sauer auf die Bundesregierung. „Offensichtlich hat Frau von der Leyen die Bodenhaftung verloren und kennt die Situation an der Basis nicht. Wir können uns ihre Ideen schlichtweg nicht leisten“, grollt Brügmann. Bredenbeks Verwaltungshaushalt umfasst gut eine Million Euro. Der allgemeine Finanzdienst mit Kreis- und Amtsumlagen verbraucht bereits die Hälfte davon. Von der verbleibenden Hälfte gibt Bredenbek 175 000 Euro in den Kindergarten. Das sind 32 Prozent der verfügbaren Mittel. Weitere 30 Prozent sind für die Schulen fällig. „Wir geben bereits mehr als 60 Prozent unserer verfügbaren Mittel für Kindergärten und Schulen aus. Es gibt so gut wie keine weiteren Gestaltungsspielräume mehr. Diese Situation verschärft sich in den nächsten Jahren noch dramatisch“, warnt Brügmann. Schon deshalb könne Bredenbek nicht auf einen Elternanteil für den Kindergarten verzichten. 2004 beteiligten sich die Eltern mit insgesamt 80 000 Euro an den Kosten. Derzeit zahlen die Eltern 132 Euro für den Platz eines Kindes. Das entspricht in etwa 27 Prozent der Gesamtkosten. Das Land empfiehlt einen Elternanteil von 30 Prozent. „Wir haben nicht vor, diesen Prozentsatz in nächster Zeit zu erreichen. Das würde die Eltern noch mehr belasten. Aber auf einen Anteil verzichten können wir in keinem Fall“, betont Rainer Brügmann. Rein inhaltlich gibt es an dem Vorschlag der Bundesfamilienministerin aus Sicht von Neumünsters Stadtrat Günter Humpe-Waßmuth nichts zu deuteln: „Für die Familien wäre das toll.“ Aber der Bund dürfe solche Vorschläge nicht zu Lasten der Kommunen machen, die durch strukturelle Defizite ohnehin gebeutelt und am Rande ihrer Leistungsfähigkeit angekommen seien. Humpe: „Wer kluge Vorschläge macht, der soll sie auch finanzieren.“ Wenn man die 2100 Plätze für Drei- bis Sechsjährige in Neumünsters Kindergärten kostenlos anböte, würde der Stadt ein Einnahmeverlust in Höhe von 1,2 Millionen Euro entstehen, erklärte Marita Rieck, Fachdienstleiterin Kinder und Jugend. Für die Kindergärten in freier Trägerschaft – ie Stadt arbeitet zum Beispiel mit DRK, AWO, Lebenshilfe und dem Friedrich-Ebert-Krankenhaus zusammen – entsteht dem städtischen Haushalt schon jetzt eine jährliche Belastung von 650 000 Euro für das Ersetzen von Einnahmeausfällen. Rieck: „Würden die Träger ihre Plätze kostenfrei anbieten, wären wir bei einer Million angelangt.“
„Kein Kind muss in der Region Bordesholm zu Hause bleiben, nur weil das Geld fehlt“: Wie hier in der Kita Wattenbek gilt im Zentralort eine Sozialstaffel. Foto Tietgen
Rainer Brügmann in Bredenbek: „Ohne Elternanteil können wir den Kindergarten nicht finanzieren“. Foto Nemitz
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