Kieler Nachrichten 20.07.05
Mittags wird kräftig gelüftet Klärwerk ist auch mit einem Schutzmechanismus für die Eider ausgestattet Von Sven Tietgen 24 Stunden am Tag – das sind auch 24 Gelegenheiten, sich eine Stunde Zeit zu nehmen, in verschiedene Berufe hineinzuschauen, den Alltag bei der Arbeit schildern zu lassen. Die Holsteiner Zeitung setzt diese Serie fort mit dem Klärwerk des Abwasserzweckverbandes Bordesholm, das wir von 13 bis 14 Uhr besucht haben. Die braune Flüssigkeit in dem mächtigen Rundbecken schäumt und gurgelt. An die 700 000 Liter Abwasser rühren die überdimensionalen Knethaken pro Becken durch, dazu blasen unsichtbare Lüftungsanlagen Sauerstoff reiche Luft in die Brühe. Wenige Meter über der Oberfläche beugt sich Sandra Lüken über das Geländer des Laufstegs und holt mit einer langen Pike einen Metalleimer aus den gischtenden Fluten. „Gerade im Sommer und zur Mittagsstunde rühren und lüften wir kräftig durch, das fördert die Arbeit der Bakterien“, erklärt die gelernte Ver- und Entsorgerin. Die Nase gibt Entwarnung: Aus dem Sequencing-Batch-Reaktor (SBR) genannten Abwasserbecken steigt praktisch kein Hauch von Fäulnis auf. Theoretisch könnte ein Sprung in das sprudelnde Nass gewagt werden – aber die Überlebenschance wäre trotzdem gleich Null. „Das Abwasser hat durch die Bewegung keine Oberflächenspannung mehr, man würde wie ein Stein in die Schlammschicht am Beckenboden sinken“, lacht Sandra Lüken und gießt den Eimerinhalt in einen Glaskolben für die Untersuchung im Labor. Der anschließende Check mit Pipette und Reagenzglas im Betriebsgebäude der Kläranlage ist eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Denn eigentlich kontrolliert ein vollautomatisches Überwachungssystem. Ungefähr acht Stunden dauert ein Reinigungsprozess in den Reaktorbehältern, dann werden mit den so genannten Dekantern die oberen Wasserschichten abgesaugt und in die Eider gespült. „Zeigen die Instrumente und Sensoren in dem Moment Überschreitungen an, schließen sich sofort die Ablaufklappen in die Eider“, erläutert der Abwassermeister. Für Ingo Winkler und seine drei Mitarbeiter gibt es trotz der vollautomatischen Überwachungssysteme viel zu tun – und nicht nur innerhalb der Kläranlage an der Kreisstraße 15, die für rund 4,2 Millionen Euro erweitert und modernisiert wurde. So kontrollieren die Abwasserexperten um Ingo Winkler in regelmäßigen Abständen die 44 Haupt- und Nebenpumpstationen ebenso wie das 70-Kilometer-Netz aus Druckrohren und Freigefälle-Leitungen, aus denen die Abwässer aus insgesamt 4500 Haushalten in das Klärwerk fließen. Um 7 bis 8 Uhr morgens wird das meiste Schmutzwasser in den angeschlossenen Gemeinden Bordesholm, Brügge, Wattenbek, Reesdorf und Bissee in die Rohre gespült, gegen 11 Uhr erreicht die Abwasserflut das Klärwerk. Dort sortiert eine so genannte Filterrechen-Anlage mit Sandund Fettfang die Grobstoffe heraus, danach starten die Mikroben und Bakterien in den SBRBecken ihren Kampf gegen Nitrate, Phosphatstoffe und andere Schadstoffe. Als Abbauprodukt fällt dabei Klärschlamm an, der regelmäßig vom Boden der SBR-Behälter abgesaugt wird. Die Masse wird eingedickt, mit Eisenchlorid und Kalk versetzt und dann in der Kammerfilterpresse getrocknet und zu flachen Fladen gebacken. Normalerweise fallen die Fladen nach dem Pressen von selbst auf das Transportband, manchmal aber muss Jens Danker nachhelfen – mit einem überdimensionalen Spatel drückt der Ver- und Entsorger den braunen Fladen aus dem Filterkammersystem. Sonderabfall ist das Endprodukt nicht – im Gegenteil. „Der Schlammkuchen wird noch gemahlen und an die Landwirtschaft als Dünger abgegeben“, erklärt Betriebsleiter Winkler. Und er ist stolz auf das Klärwerk, das nach dem Umbau seit einem Jahr unter Volllast fährt: „Das geklärte Wasser hat eine erheblich bessere Qualität als die Eider selbst“.
Die Ver- und Entsorgerin Sandra Lüken holt mit der langen Holzpike den gefüllten Messeimer aus der gischtenden Flut des SBR-Reaktorbehälters. Die Wasserprobe untersucht sie dann im Betriebslabor nach Schadstoffrückständen. Fotos Tietgen
Betriebsleiter Ingo Winkler kontrolliert auf den Überwachungsmonitoren im Klärwerks-Betriebsgebäude die aktuellen Wasserwerte in den SBR-Reaktoren.
Jens Dankert muss in der Kammerfilterpresse nachhelfen: Mit einem überdimensionalen Spatel löst der gelernte Ver- und Entsorger den Schlammfladen. |