Kieler Nachrichten 30.12.05

Familie Schrimpf muss nicht raus

Amtsgericht weist Klage auf Räumung als unbegründet ab – Schulverband legt beim Landgericht Berufung ein

von Sven Tietgen

Bordesholm – Die Familie Schrimpf blickt in ihrer Mietwohnung ganz entspannt dem Jahreswechsel entgegen: Das Amtsgericht Rendsburg hat die Klage des Schulverbandes Bordesholm auf Räumung der ehemaligen Rektorenwohnung als unbegründet abgewiesen.

Der Schulverband als Träger der Hans-Brüggemann-Realschule hatte Peter und Christel Schrimpf, die seit genau zwölf Jahren mit ihren schwer behinderten Pflegekindern René und Pascal das Erdgeschoss des ehemaligen Lehrerhauses bewohnen, vor zwei Jahren gekündigt und im April 2005 Räumungsklage erhoben. Als Grund nannte der Schulträger den gestiegenen Raumbedarf durch steigende Schülerzahlen in der benachbarten Realschule. Eine Raumnot konnten die Richter allerdings nicht feststellen – gleich mehrfach wurde darauf in der Urteilsbegründung hingewiesen.

Der Schulverband hatte argumentiert, die Wohnräume für den zwischenzeitlich in die Lindenschule ausgelagerten Kunstfachraum zu benötigen. Das Gericht verwies jedoch auf den neuen Anbau, mit dem zwei Klassenräume sowie zwei Fachräume zusätzlich geschaffen werden konnten. Zudem belegt nach Ansicht der Richter das 2004 beim Innenministerium beantragte Raumprogramm, dass der Schulverband die Lehrerwohnung nicht wegen akuter Raumnot und gestiegener Schülerzahlen braucht.

Außerdem wurde laut Gerichtsurteil deutlich, dass mit dem genehmigten Umbau der Verwaltungsräume sowie der Vergrößerung des Lehrerzimmers die Wohnräume der Familie Schrimpf nicht benötigt werden – diese Umbauten geschahen nämlich auf Kosten von zwei regulären Klassenund Gruppenräumen. Für Peter und Christel Schrimpf eine hieb- und stichfeste Begründung: „Wer zwei Klassenräume nimmt, um das Lehrerzimmer zu vergrößern, hat keinen Bedarf“, erklären die Eheleute.

Das sieht der Schulverband ganz anders – und hat beim Landgericht Kiel als nächst höhere Instanz Berufung eingelegt. „Die Urteilsbegründung trifft nicht zu, das ist nicht nachvollziehbar“, sagt Manfred Osbahr, der als Büro leitender Beamter der Bordesholmer Gemeindeverwaltung die Geschäfte des Schulverbandes führt. So waren laut Osbahr vom Umbau der Verwaltung keine Klassenräume betroffen, das Lehrerzimmer nur um das neun Quadratmeter große Elternsprechzimmer vergrößert worden.

Der Kunstfachraum ist zwar mittlerweile im neuen Anbau untergebracht, wird aber weiterhin benötigt. „Wir mussten dafür eine 25-köpfige Schulklasse in einen 30-Quadratmeter-Raum im Dachgeschoss auslagern. Das kann auf Dauer keine Lösung sein“, sagt Osbahr. Zudem ist ein weiterer Fachraum in einem Kellergeschossteil untergebracht, der nicht den Klassenraumvorschriften entspricht. Außerdem musste die Hälfte der Schulaula zum Musikraum zweckentfremdet werden, und die vom Amtsgericht angeführten Ausbaureserven gibt es nach Ansicht des Schulverbandes nicht: „Das sind Räumlichkeiten unter dem Dach, die wegen der vielen Dachschrägen nicht nutzbar sind.“

Familie Schrimpf sitzt trotz des neuerlichen Gerichtsverfahrens entspannt unter dem Weihnachtsbaum. „Damit haben wir kein Problem, wir sehen dem gelassen entgegen.“

Peter und Christel Schrimpf mit ihren schwer behinderten Pflegekindern Pascal (2.v.r.) und René (großes Foto). Die gerichtliche Auseinandersetzung um die Erdgeschosswohnung im ehemaligen Lehrerhaus (kleines Foto) geht aber weiter. Fotos Tietgen