China für Wattenbek

e-mail vom 18. April 2008

Betr.: Olympia:

Endspurt zum 08.08.2008, um 8.08 pm (02.08 MEZ)

Hallo nach Wattenbek,

das Olympische Feuer ist entzündet und wird seit dem 31. März 2008 in 130 Tagen durch 5 Kontinente unter dem Motto „Reise der Harmonie“ zurück nach Beijing getragen. Allerdings ist das Entzünden auch Zündstoff für die ca. 137.000 km Reise, der längsten der Olympischen Geschichte. Der Slogan „One World – One Dream“, ist seit dem Zuschlag der Spiele unter sportlichen Gesichtspunkten und nicht unter politischer Agitationen zu verstehen. Überall in Beijing sind dafür Plakate aufgestellt worden und die Menschen in Beijing bereiten sich langsam darauf vor. Allerdings geschieht es auf sehr unterschiedliche Weise:

Die einen zeigen es ganz gemütlich mit selbstgestalteten Plakaten im Zentrum des alten Beijings, den „Hutongs“. Die anderen pilgern bei gutem Wetter in Massen zu den modernen Sportstätten und fragen sich ob das „Birdnest“ wirklich zum Beginn der Spiele fertig sein wird.

Der Rest sieht das Nahen der Spiele eher gelassen. Das tägliche Überleben ist wichtiger als der nicht mehr weit entfernte 8. August 2008. Schließlich dauern die Spiele hier nicht ewig, sondern dienen einfach zur Verbesserung der Infrastruktur und der so genannten Lebensqualität einer Weltstadt...  und das in kurzer Zeit.

Es geht eben normal weiter im Bereich der „Wang Fu Jing“, der für solch eine Millionenstadt immerhin nicht gerade langen Einkaufsstrasse Nr. 1“. Unter anderem werden in offenen Ständen Frischfleisch jeglicher Art, Insekten und Skorpione aber auch schmackhafte Suppen und frisches oder kandiertes Obst angeboten. Werden die zur Zeit günstigen Preise während des erwarteten Gästeandrangs steigen? Keiner weiß es, denn hier herrscht Wettbewerb und Marktwirtschaft.
Auch die „Alten“ sehen es gelassen, spielen chinesisches Schach und scheren sich nicht um die Berichte und den Trubel, der zur Zeit weltweit um die wohl politischsten Spiele der Neuzeit gemacht wird. Die Intelligenz in China interessiert sich sicher dafür und die Regierung ist verärgert, wird jedoch dieses auf dem politischen Parkett wieder einmal zum eigenen Vorteil nutzen. Die Proteste in einigen Ländern des Fackellaufs wurden in den chinesischen Medien bisher weitgehend neutral kommentiert.
Man hat zwar nach den Vorgängen in Paris von einer Umsatzeinbuße bei der größten, überall in China verbreiteten, französischen Einkaufskette gehört und die Chinesen sind darüber enttäuscht, dass man sie nicht versteht, aber dennoch steht man Allem gelassen gegenüber so wie dieser Rikscha-Fahrer.....

Die Sportler, die Besucher und Gäste werden kommen. Da kann man in kurzer Zeit hier viel Geld verdienen.

Man sollte daran denken: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer... ... und schon gar keine Olympischen Spiele. Aber das Olympische Feuer wird am 8. August 2008 in das „Vogelnest“ getragen werden.

Abschließend sei bemerkt: Sofern es mir die Sicht in dieser Metropole zulässt, schaue ich gern an Wochenenden am „Xi Hai“, entfernt vom Touristentrubel des benachbarten „Hou Hai“, in Richtung Westen.

Dort liegt, irgendwo in ca. 8100 km von meiner Wahlheimat Beijing entfernt, meine erste Heimat Wattenbek, in die ich nach spätestens 3 Jahren, Anfang 2009, wieder zurückkehren werde.

Dazwischen liegen die Olympischen Spiele, mit ihren Vorbereitungen, von denen ich weiter berichten werde.

Uwe Krüger, Beijing, April 2008