Die Reichstagswahlen vom März 1933

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Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung bestand darin, den Reichspräsidenten (mit einer fadenscheinigen Begründung) dazu zu bewegen, den im November 1932 gerade erst neu gewählten Reichstag aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Bei den Wahlen zum Deutschen Reichstag am 5.März war es dann das erklärte Ziel der Nationalsozialisten, die absolute Mehrheit der Stimmen zu erringen und sich damit die Zustimmung der Deutschen zur Reichskanzlerschaft Adolf Hitlers zu sichern. Dieses Ziel konnte nur mit Hilfe der DNVP (8%) erreicht werden, da die NSDAP alleine nur auf 43,9% der Stimmen kam. In Schleswig-Holstein war die Zielsetzung dagegen ohne Schwierigkeiten realisiert worden: die NSDAP erhielt 53,3%. Von den 348 Wählern in Wattenbek machten 222 ihr Kreuz bei der NSDAP; das waren 63,8% der abgegebenen Stimmen und bedeutete eine Steigerung um fast 4 Prozentpunkte gegenüber dem Ergebnis vom November 1932.

Die SPD erhielt reichsweit mit 18,3% den zweitgrößten Stimmenanteil und das, obwohl sie zu denjenigen Parteien gehörte, die im Wahlkampf von staatlichen Institutionen und nationalsozialistischen Organisationen massiv behindert und bedroht wurde. Der (alsbaldige) Propagandaminister Goebbels notierte am 11.Februar in seinen Tagebuchaufzeichnungen: „Ich tobe mich in Plakaten und Leitaufsätzen gegen die Sozialdemokratie aus.” Im Vergleich zu den umliegenden Gemeinden gab es in Wattenbek relativ viele Bürger, die die einschneidende Gefährdung der Demokratie durch die zahlreichen NS-Propagandamaßnahmen erkannt haben: Die Sozialdemokraten fanden hier am Ort noch 91 Sympathisanten und erreichten mit 26,1% einen höheren Stimmenanteil als auf Reichsebene. Gegenüber den Reichstagswahlen vom November 1932 hatte die SPD in Wattenbek lediglich 2 Stimmen verloren. In keiner anderen Gemeinde der näheren Umgebung war es den Sozialdemokraten gelungen, ein derart gutes Wahlergebnis zu erzielen. Selbst in Bordesholm war der Anteil der SPD-Stimmen auf 15,8% gesunken.

Die KPD war diejenige Partei, die am stärksten von den undemokratischen Wahlkampfmethoden der Nationalsozialisten betroffen war. Bereits am 2.Februar waren in einigen Ländern des Deutschen Reiches „Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge der kommunistischen Parteien ... bis auf weiteres” verboten worden. Der Brand des Reichstagsgebäudes am 28.Februar lieferte den staatlichen und parteiamtlichen Stellen den willkommenen Vorwand um „die Kommunisten” dafür verantwortlich zu machen. Mehrere Tausend Mitglieder und Sympathisanten der KPD  wurden verhaftet, darunter in erster Linie die gewählten Abgeordneten der Partei auf allen Ebenen des Reiches. Unter diesen Umständen war es einigermaßen verwunderlich, dass die KPD überhaupt noch zur Reichstagswahl zugelassen wurde. Sie erhielt sogar 12,3% der Stimmen und damit 81 Sitze im neuen Parlament. In Wattenbek sind es noch 15 Bürger gewesen, die für die KPD gestimmt haben. Das waren 5 weniger als noch im November 1932.

Obwohl die Zustimmung der Wattenbeker Wähler zur nationalsozialistischen Regierungsprogrammatik relativ hoch war, belegt ein Blick in die umliegenden Dörfer, dass die Erwartungen andernorts noch wesentlich ausgeprägter waren: In Bothkamp erhielt die NSDAP 90,3% der abgegebenen Stimmen, in Schmalstede 82,5% und in Brügge 78,9%. Erstaunlich gering war der Anteil der NSDAP mit 58,8% in Bissee. Hier wurde stattdessen die DNVP recht häufig gewählt. [1]

Holsteinischer Courier vom 05.03.1933

Zur intensiven Vorbereitung und Einstimmung auf die am Sonntag, dem 5.März 1933, stattfindenden Wahlen fand einen Tag zuvor „der Bordesholm Fackelzug der nationalen Verbände“ statt, an dem sicherlich auch viele Wattenbeker beteiligt gewesen sind. Zu den teilnehmenden Organisationen zählten u.a. die örtlichen Gruppierungen der SA und SS, der „Stahlhelm“, der Militärverein, der Turnverein, der Handwerkerbund, die Feuerwehr und die Sanitätskolonne. Die Veranstaltung wurde vom Berichterstatter des Holsteinischen Couriers als „recht eindrucksvoll“ beschrieben: „Das mit brennenden Fackeln umgrenzte und bengalisch beleuchtete Ehrenmal, darüber der zunehmende Mond, bot ein ergreifendes Bild.“ Der Bordesholmer Bürgermeister Ahrens rezitierte den „Rütli-Schwur“ aus „Wilhelm Tell“ und erinnerte an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Seine Rede war „ein letzter Appell an das Gewissen eines jeden Deutschen. Die Ansprache war mit dem gemeinsam gesungenen Lied vom guten Kameraden und mit dem Deutschlandlied wirkungsvoll umrahmt. Vom Ehrenmal marschierte der Fackelzug zum Alten Haidkrug zurück, wo die Reichskanzlerrede durch Lautsprecher übertragen wurde. Um 10 Uhr abends loderte dann noch als letztes Flammenzeichen vor den Entscheidungswahlen ein Feuer auf dem Spielplatz empor, und im Kreise ertönten wiederum vaterländische Gesänge.“ [2]

Im März des Jahres 1933 befanden sich viele Deutsche in Siegeslaune und waren sich sicher, dass die Regierungsweise der Nationalsozialisten sich dauerhaft gegenüber der demokratischen (aber erfolglosen) Weimarer Republik durchgesetzt habe. Um diese Ansicht zu dokumentieren, wurde am 10.März eine öffentliche Fahnenverbrennung organisiert: „Unter größter Teilnahme der Bevölkerung wurden auf den Dorfplätzen in Großbuchwald und Brügge die Fahnen des bisherigen Systems, die sich im Besitz der Gemeinde und Schule befanden, verbrannt. Von Vertretern der NSDAP und des Stahlhelm wurden dazu patriotische Ansprachen gehalten.” [3]


 [1] Alle örtlichen Wahlergebnisse durch eigene Berechnungen aufgrund der Berichterstattung des Holsteinischen Couriers (HC).

 [2] HC vom 06.03.1933.

 [3] HC vom 10.03.1933.

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