Die Kommunalwahlen vom März 1933

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Anfang Februar war nicht nur der Reichstag aufgelöst worden; das gleiche Schicksal ereilte u.a. auch die Länderparlamente und die Gemeindevertretungen. Deshalb waren in Preußen für den 12.März Kommunalwahlen angesetzt worden. In Wattenbek hatten die Wähler die Möglichkeit, zwischen der „Nationale(n) Einheitsliste“ und einer SPD-Liste zu wählen. Hinter der „Nationale(n) Einheitsliste“ stand die seit dem März 1931 existierende Ortsgruppe der NSDAP mit den Kandidaten:

 ·        Christian Rixen (Bauer, 46 Jahre),

 ·        Heinrich Heesch (Bauunternehmer, 48),

 ·        Johannes Gabriel (Bauer, 57),

 ·        Willy Riepen (Kaufmann, 45),

 ·        Adolf Schroedter (Bauer, 51),

 ·        Wilhelm Hartz (Zimmermeister, 49),

 ·        August Gier (Bauer, 46),

 ·        Robert Steffen,

 ·        Christian Schulz (Pensionär, 60),

 ·        August Steen ( Schmiedemeister, 41),

 ·        Heinrich Hamann (Sattlermeister, 57) und

 ·        Friedrich Lüthje (Gastwirt, 54).

Diese zwölf Herren hatten zum damaligen Zeitpunkt ein Durchschnittsalter von 50,4 Jahren. Auffällig ist das Fehlen von Wilhelm Stabe unter den im Holsteinischen Courier vom 10.03.1933 genannten Kandidaten der „Nationalen Einheitsliste“. Da er seine politische Laufbahn damals noch nicht beendet hatte, nehmen wir an, dass er in der Auflistung der Kandidaten durch die Zeitung vergessen wurde.

Für die SPD kandidierten:

 ·        Johannes Tödter (Tischler, 53 Jahre),

 ·        Alfred Axt (Angestellter, 44),

 ·        Fritz Ley (Tischler,65),

 ·        Willy Ueckermann, (Modelltischler)

 ·        Johann Grewe (Arbeiter, 52),

 ·        Wilhelm Siemen, (Maurer),

 ·        Hermann Hohberg (Heizer, 54),

 ·        Hans Westphal (Arbeiter, Schuhmacher, 35) und

 ·        Franz Schreier (Maler, 45).

Diese neun Kandidaten waren im Durchschnitt 49,7 Jahre und damit kaum jünger als ihre Kontrahenten. [1]

Im Gegensatz zu den Verhältnisse in Bordesholm und Brügge wissen wir zur Zeit noch nicht mit letzter Sicherheit, wie die Wahl zur Wattenbeker Gemeindevertretung 1933 ausgegangen ist, da die entsprechenden Daten nicht bekannt sind. [2] Das Wahlergebnis lässt sich jedoch ziemlich zuverlässig aus dem Ergebnis der gleichzeitig stattgefundenen Wahlen zum Kreistag des Kreises Rendsburg ableiten: Am 12.März haben von 324 Wattenbeker Wählern 206 NSDAP gewählt. Die DNVP erhielt 22 Stimmen, die SPD 86 und die KPD 10. [3] Da für die Neuwahl der Gemeindevertretung nur zwei Listen zur Auswahl standen, ist anzunehmen, dass die NSDAP hier zusätzlich die Stimmen der DNVP bekommen hat, also 228 Stimmen. Und die SPD wird höchstwahrscheinlich die 10 Stimmen für die KPD erhalten haben und somit noch auf 96 Wählerstimmen gekommen sein. Prozentual würde das bedeuten: NSDAP 70,4% und SPD 29,6%.

Wird nun auf dieses Ergebnis das sogenannte Höchstzahlverfahren angewandt, so ergibt sich folgende Sitzverteilung für die neue Wattenbeker Gemeindevertretung: Von den elf zu vergebenden Sitzen erhielt die SPD den dritten, den sechsten und den zehnten, alle übrigen gingen an die NSDAP. Damit waren von Seiten der SPD außer dem Spitzenkandidaten Johannes Tödter höchstwahrscheinlich auch Alfred Axt und Fritz Ley Gemeindevertreter geworden. [4] Es ist weiterhin anzunehmen, dass von der Liste der NSDAP acht Vertreter in das Gemeindeparlament eingezogen sind: Außer dem (in der konstituierenden Sitzung der Gemeindevertretung wiedergewählten) Bürgermeister Wilhelm Stabe müssen dies Christian Rixen, Heinrich Heesch, Johannes Gabriel, Willy Riepen, Adolf Schroedter, Wilhelm Hartz und August Gier gewesen sein. [5]

Die Nationalsozialisten befanden sich nach den Kommunalwahlen weiterhin im Siegestaumel: In Brügge hatten sie 84,7% der abgegebenen Stimmen erhalten und in Bordesholm 78%. Die Brügger veranstalteten zusammen mit den Groß Buchwaldern einen Fackelzug „aus Anlass der nationalen Erneuerung”. Die Groß Buchwalder kamen zuerst nach Brügge und gemeinsam marschierte man dann nach Groß Buchwald zurück. „Fast sämtliche Häuser waren festlich erleuchtet und hatten Flaggenschmuck angelegt. An dem Ehrenmal wurden Ansprachen gehalten. Die Schuljugend beteiligte sich geschlossen an dem Umzug.” [6] Die Formulierung „nationale Erneuerung” bedeutete nichts anderes als „endgültige Beseitigung demokratischer Strukturen”: Am 23./24.März war Adolf Hitler (unter gewalttätigen Rahmenbedingungen) von den verbliebenen Reichstagsabgeordneten dazu „ermächtigt” worden, als Reichskanzler auch legislative Rechte auszuüben. Der Reichstag als oberstes Organ der Legislative hatte sich selbst entmachtet und die Grundvoraussetzung für ein demokratisches Staatswesen, die Teilung der drei Staatsgewalten, war endgültig beseitigt worden. Dieses Ereignis ist damals (nicht nur) in Brügge und Groß Buchwald gefeiert worden.

Es ist anzunehmen dass die Wattenbeker Gemeindevertretung noch im Verlauf des März 1933 neu konstituiert worden ist. (Leider gibt das Protokollbuch hierüber keinerlei Auskunft.) Der langjährige Bürgermeister Wilhelm Stabe wird die neuen Gemeindevertreter der NSDAP und der SPD verpflichtet und per Handschlag in ihr Amt eingeführt haben. Für die Sozialdemokraten Johannes Tödter, Alfred Axt und Fritz Ley muss das eine ganz besondere Situation gewesen sein, denn die Nationalsozialisten hatten wiederholt öffentlich geäußert, dass „der Marxismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet” werden sollte. Und damit war nicht nur die KPD sondern auch die Sozialdemokratie gemeint. Bereits am 8.März war den gewählten Abgeordneten der Kommunistischen Partei im Deutschen Reichstag offiziell das Mandat aberkannt worden. Im nahegelegenen Kiel war das Rathaus am 11.März von Angehörigen der SA, der SS und des „Stahlhelm” gestürmt worden. Der Oberbürgermeister und die sozialdemokratischen Magistratsmitglieder wurden für abgesetzt erklärt und ihre Ämter von Nationalsozialisten übernommen. Zur konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung nach den Kommunalwahlen waren „aufgrund des Terrors der Nationalsozialisten nur 11 der 20 gewählten Sozialdemokraten” erschienen. [7]

Aus Brügge wissen wir, dass der einzige gewählte Gemeindevertreter der SPD, Albert Rasum, an der konstituierenden Sitzung der Gemeindevertretung am 28.März 1933 teilgenommen und sich auch an der Wahl des Gemeindevorstehers Johannes Stoltenberg beteiligt hat. Für Albert Rasum war diese Sitzung die vorletzte, denn er durfte lediglich am 13.Mai 1933 noch einmal das ihm zustehende Mandat als Gemeindevertreter ausüben. Auf Reichs- und Länderebene gab es zum damaligen Zeitpunkt deutliche Bestrebungen, auch den Sozialdemokraten die Mitwirkung in allen parlamentarischen Gremien zu verweigern. Am Ende sollte dann die vollständige Beseitigung der gewählten Institutionen stehen. Die SPD war bereits am 22.Juni reichsweit verboten worden und Innenminister Frick hatte für diese Maßnahme u.a. folgende amtliche Begründung parat: „Insbesondere sollen sämtliche Mitglieder der SPD, die heute noch den Volksvertetungen und Gemeindevertretungen angehören, von der weitern Ausübung ihrer Mandate sofort ausgeschlossen werden.” [8] Damit gab man sich aber nicht zufrieden und verhaftete innerhalb kürzester Zeit mehrere Tausend Mitglieder der Partei. Die Vielzahl der verhafteten politischen Gegner machte es zudem notwendig, über die Errichtung von Konzentrationslagern nachzudenken und diese dann auch einzurichten.

Es ist somit davon auszugehen, dass auch in Wattenbek den gewählten Gemeindevertretern der SPD noch im Verlauf des Frühjahrs 1933 ihr Mandat aberkannt worden ist. Im Protokollbuch der Gemeindevertretung, das mit der Sitzung vom  3.Mai 1934 beginnt, sind sie jedenfalls nicht mehr verzeichnet.


 [1] HC vom 10.03.1933 und Angaben im Wählerverzeichnis der Gemeinde Wattenbek von 1936.

 [2] Der Holsteinische Courier hat die Ergebnisse der GV-Wahlen von 1933 für kleinere Gemeinden nicht veröffentlicht und im Protokollbuch über die Sitzungen der Wattenbeker Gemeindevertretung beginnen die Aufzeichnungen erst im Jahre 1934.

 [3] HC vom 13.03.1933.

 [4] Jakob Hinrichs schreibt dagegen in der Wattenbeker Chronik von 1991, dass lediglich Johannes Tödter und Wilhelm Ueckermann 1933 ein GV-Mandat für die SPD erhalten hätten. Er kann diese Angaben aber quellenmäßig nicht belegen. Vgl. Jakob Hinrichs: Wattenbek - Chronik einer Gemeinde, S.61.

 [5] Diese Annahme stimmt mit den (quellenmäßig nicht belegten) Angaben von Jakob Hinrichs überein, vgl. Chronik, S.61.

 [6] HC vom 24.03.1933.

 [7] Kiel im Nationalsozialismus, Materialien und Dokumente, hrsg. vom Arbeitskreis Asche-Prozess, S.18.

 [8] Overesch/Saal: Das III. Reich. 1933-1939. Eine Tageschronik, Augsburg 1991, S.66 (später Overesch/Saal II).

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