Die Gleichschaltung der Gemeindevertretung (1934)

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Am 1.Januar des Jahres 1934 war in Preußen und damit auch in Schleswig-Holstein ein neues „Gemeindeverfassungsgesetz“[1] in Kraft getreten. Demnach wurde Wattenbek nicht als „Bauerndorf“ eingestuft, da nicht der „überwiegende Teil der Volksgenossen“ dem neu gegründeten „Reichsnährstand“ angehörte. Wattenbek wurde amtlich als „Landgemeinde“ bezeichnet und hatte jetzt einen „Gemeindeschulzen“ als Bürgermeister. Dieser hatte das Recht, „alle Entscheidungen in voller und ausschließlicher Verantwortung“ selbst zu treffen. Der Gemeindeschulze Wilhelm Stabe wurde nicht mehr von einer Gemeindevertretung gewählt, sondern „nach Fühlungnahme mit dem Gauleiter der nationalsozialistischen Bewegung“ berufen. [2]

Ihm zur Seite standen zwei „Schöffen“, die im Bedarfsfall auch seine Vertretung zu übernehmen hatten: Wer dieses Amt 1934 in Wattenbek bekleidet hat, ist zur Zeit noch nicht hinreichend geklärt. Die Schöffen sollten regelmäßig an den „Beratungen“ mit dem Leiter der Gemeinde teilnehmen, sie wurden aber nicht zu den „Gemeindeältesten“ gezählt. Die Gemeindeältesten waren die Gemeinderäte in den Landgemeinden. Sie sollten den Gemeindeschulzen beraten und mussten von diesem in wichtigen Angelegenheiten vor einer Entscheidung gehört werden. Für Wattenbek wissen wir, dass August Steen und Heinrich Steuermann das Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 31.Oktober 1934 als Gemeindeälteste unterzeichnet haben. In dieses Amt waren laut Gemeindeverfassungsgesetz der Ortsgruppenleiter der NSDAP, der „rangälteste Führer“ der SA oder der SS am Orte und „sonstige erfahrene und verdiente Männer zu berufen“.[3]

Es bleibt festzuhalten, dass das demokratische Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung von den Nationalsozialisten innerhalb von zwei Jahren vollständig beseitigt worden war: Im Verlauf des Jahres 1933 wurde allen Gemeindevertretern, die nicht über die NSADAP-Liste gewählt worden waren, das Mandat aberkannt. Und seit 1934 gab es keine Gemeindevertretersitzungen mehr, in denen über die einzelnen Tagesordnungspunkte nach dem Mehrheitsprinzip entschieden wurde. Es fanden nur noch „Beratungen“ statt, die vom Leiter der Gemeinde „jederzeitzeit ohne Rücksicht auf deren Stand“ abgebrochen werden konnten. Abstimmungen waren ausdrücklich nicht vorgesehen. [4]

Der 1.Mai als „Feiertag der nationalen Arbeit“ diente dazu eine erste Erfolgsbilanz nationalsozialistischer Wirtschafts- und Sozialpolitik zu präsentieren. Dazu diente in der hiesigen Gegend das Kieswerk der Kieler Baufirma  Habermann & Guckes, das  inzwischen „vielen Volksgenossen Arbeit und Brot“ gab.[5] Die Belegschaft veranstaltete zusammen mit den Ortsgruppen Reesdorf und Brügge der NSDAP eine „eindrucksvolle Maifeier“ mit über 500 Teilnehmern. In Uniformen und Arbeitsanzügen hatte man in Brügge Aufstellung genommen und war mit einer Musikkapelle zum Werksstandort in Brüggerholz marschiert. Der „Betriebszellenwart“ der Deutschen Arbeitsfront (DAF) Hans Gnutzmann hielt die Begrüßungsansprache und gedachte dabei „der Toten der Bewegung, der Opfer der Arbeit und der Opfer des Weltkrieges“. 

"Tag der nationalen Arbeit" am 1. Mai 1934 in Brüggerholz

Die eigentliche Festrede hielt „Parteigenosse“ Krüger aus Kiel, der auch die neue Werkfahne von Habermann & Guckes weihte. Sodann lauschte man den Worten des „Führers“ Adolf Hitler, die vom Tempelhofer Feld in Berlin über einen Großlautsprecher nach Brüggerholz übertragen wurden. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung erfolgte eine förmliche Vereidigung des „Betriebsführers“ und des „Vertrauensrates“ der Firma, der den ehemaligen Betriebsrat ersetzen sollte, aber keinerlei Mitspracherecht mehr besaß.[6] Die Vereidigung fand mit dem Musikstück „Ich hab mich ergeben“ ihren Abschluss und gemeinsam marschierte man nach Brügge zurück, wo der offizielle Teil der Veranstaltung beendet wurde. Der gesellige Teil fand dann „im Geist des Arbeitskameraden“ in den umliegenden Gastwirtschaften statt, wo es „deutschen Tanz“ gab.[7]


[1] Preußische Gesetzsammlung 1933, Nr.78 vom 18.Dezember 1933, S.427ff..

[2] § 34 des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes.

[3] § 41 des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes.

[4] § 46 des Preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes.

[5] HC vom 04.05.1934.

[6] Der Betriebsführer war zugleich Vorsitzender des Vertrauensrates und besaß gegenüber den „Gefolgschaftsmitgliedern“ in allen betrieblichen Angelegenheiten das alleinige Entscheidungsrecht.

[7] HC vom 05.05.1934.

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